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29. Grandma's Marathon
Duluth - Minnesota   18. Juni 2005

Am Montag den 13.6.05 sind wir abgeflogen und mit 6 Stunden Verspätung in Minneapolis gelandet (Ortszeit 01:00h).
Die Aufregung unseren Großen wieder zu sehen war groß, aber noch größer war die Aufregung, als ein Koffer fehlte. Hoffentlich nicht der mit den Laufklamotten. Wohlweislich hatten wir unsere Laufschuhe im Handgepäck.

Nach ein paar Tagen war unser Jetlag halbwegs überwunden und der Koffer wieder da. Am Donnerstag fuhren wir mit dem Mietwagen hoch zum Lake Superior nach Duluth (ca. 300 Meilen), wo wir am Samstag am Grandma’s Marathon teilnehmen würden.

 

Ich wollte früh ins Bett, um mich endlich mal auszuruhen. Daraus wurde nichts. Die Gastfamilie unseres Sohnes hatte uns begleitet. So machten wir unterwegs noch einige Stopps bei Freunden, um auch die Corvette unseres Gastvaters zu bewundern und natürlich mussten wir noch eine tolle Bootstour mit Bekannten machen. Trotzdem war es ein wunderschöner, aber sehr anstrengender Tag. Um 23.00h bezogen wir unsere Bungalows direkt am Seeufer und ich schielte schon gleich nach meinem Bett. 23:30h klopfte es an der Tür. Die Gastfamilie musste ihren Bungalow mit tausenden fliegenden Ameisen teilen. Die Viecher krochen aus allen Ecken, aus der Bettwäsche und der Dusche. Dort wollten sie natürlich nicht schlafen. Am Marathonwochenende waren natürlich alle Bungalows in sämtlichen Anlagen ausgebucht. Guter Rat war teuer. Also schliefen die fünf Kinder (21J., 17J., 16J., 14J., 13J.) bei uns. Eltern halten ja mehr aus, sie schliefen deshalb im Ameisenbungalow im Wohnzimmer. Am Freitagmorgen wollten wir zur Messe und unsere Freunde versuchten woanders unterzukommen. Sonst hätten sie zurück fahren müssen und würden nicht an der Strecke sein können.

 

Auf der Messe gab es wieder genau wie in NY eine Menge Proben, Blasenpflaster, Wasserflaschen, Gels, Riegel, Turkey und Ham. Natürlich auch eine große Auswahl an Laufschuhen und Sportbekleidung. Beim Stand vom Runnig Room konnte man an einem Glückrad drehen Sachpreise und Gutscheine gewinnen. Wir haben mehrere Gutscheine gewonnen über 35% und 20% Ermäßigung im Laden oder auf der Messe gültig bis 3.7.05. Natürlich wurden die Gutscheine gleich für neue Laufschuhe verwendet.

 

Unsere Freunde haben eine andere Unterkunft gefunden, bei Meile 13 und so würden wir uns am nächsten Tag doch an der Strecke sehen.

Abends haben wir uns mit Nudeln voll gestopft und Thomas begann damit unsere Drinks zu mischen und unser Gel in die Flaschen abzufüllen. Wir hatten extra eine Gallone Wasser gekauft, da das Leitungswasser in Amerika stark gechlort ist und ich die Befürchtung hatte mein empfindlicher Magen würde wieder streiken. Um keine Experimente zu machen, haben wir unser eigenes Pulver aus Deutschland mitgebracht. Thomas hatte schon fast alles angemischt und abgefüllt, da bemerkte ich, dass die Wassergallone noch nicht mal angebrochen war. Er hatte das ganz normale Wasser aus dem Hahn verwendet. Ich war sauer und er versuchte zu retten, was zu retten war. Für mich kamen dann nur noch 3 Flaschen zustande. Ich befürchtete also jämmerlich zu verdursten.

 

Am Morgen um 06.00h strahlend blauer Himmel. Der Startbereich liegt über 20 Meilen außerhalb von Duluth an der Küstenstraße und war nur mit ein paar Flatterleinen gekennzeichnet. Die gelben Schulbusse, die die Läufer aus den umliegenden Städten brachten reihten sich dicht an dicht. Auf dem großen Parkplatz war hektische Betriebsamkeit. Läufer dehnten sich oder standen an den hunderten Dixieklos an. Lastwagen würden unsere Sweatbags zum Ziel bringen und die Stimmung unter den fast 7000 Läufern war riesig.

Aber so mitten in der Wallachhei - oder wie auch immer das geschrieben wird - waren bis auf einige Angehörige keine Zuschauer. Und so sollte es auch Meile für Meile bleiben, denn die Küstenstraße war ja gesperrt und Zuschauer konnten nur an wenigen Kreuzungen stehen oder bei den einzelnen verstreut stehenden Häusern.

Lediglich einige hundert Meter wurden wir von Zuschauern aus einem Zug heraus angefeuert, der parallel zur Straße fuhr.

Ich merkte schnell, dass dieser Marathon eine reine Kopfsache werden würde. Du siehst die gerade weite Straße, die Sonne brennt (28°C) und du musst dich immer wieder selbst motivieren. Doch die Mitläufer waren klasse, man konnte ab und zu plaudern und die schärfsten Gestalten sehen. Lustige Aufdrucke auf den Shirts lenkten einen von der Eintönigkeit ab. Im Internet war der Kurs als flach angegeben, doch schon bald sah ich weit vor uns wie der Läuferstrom sich immer wieder nach oben bewegte, so dass auch ich die Menschenmenge sehen konnte (da ich so klein bin, sehe ich sonst nur die Rücken vor mir). Endlos kam mir die Strecke vor, links erstreckt sich der Lake Superior bis an den Horizont, der zweitgrößte See See der Erde. Der See soll so kalt sein, dass man darin nicht baden kann. Nach nur 4 Minuten im Wasser soll man an Herzversagen sterben. Die Temperatur stieg unaufhörlich und ich war froh ein Basecap zu tragen.

 

Jede Meile war durch eine Luftballongirlande schon von weitem zu erkennen. Es gab an jeder Meile Wasser, Ultima (Elektolythgetränk), Eiswürfel und Schwämme). Die Organisation war wirklich super. Die wenigen Zuschauer machten, wenn sie denn da waren einen heiden Spektakel, feuerten uns mit „Good Job“ oder „Where are you going?“ (was für eine Frage) an und machten auch sonst gute Stimmung. Es spielten Bands, an kleinen Häuschen plärrten Gettoblaster, an den Protzigeren standen sehr große Lautsprecher auf der Straße, so dass die Musik schon von weitem zu hören war. Man reichte uns Brownies, Donuts, Erdbeeren, Bananen und Apfelsinenscheiben. Die disziplinierten Amis standen auch immer wieder an den am Straßenrand aufgestellten Dixies an. Da ich schon an fast jeder Meile ein Gehpause zum Trinken einlegte (hatte ja nur drei Flaschen) wollte ich mich dort nicht auch noch anstellen, so huschten wir immer mal wieder in die Büsche.

Bei Meile 13 hoffte ich unsere Freunde und meine Kinder zu sehen. Da tobte wirklich der Bär, aber ich sah sie nicht. Meine Motivation ließ etwas nach und ich beklagte mich gerade bei Thomas, wie schade ich das finde. Dann nach der nächsten Kurve sah ich sie. Die ganze Familie stand dort, feuerte uns an und Kris, die Gastmom begleitete mich ein kurzes Stück. Warum ich so langsam liefe, fragte sie. Erstaunt sah ich sie an. Schließlich habe ich schon 13 Meilen hinter mir. Die Kinder umarmten uns und gleich ging es weiter.

Bei Meile 18 bekam Thomas plötzlich Magenprobleme (gechlortes Wasser? Hihi…) und musste das Tempo deutlich reduzieren und Gehpausen einlegen. Er wollte, dass ich weiterlaufe und mein Ding allein durchziehe, er würde schon wieder aufschließen.

Nach 2 Meilen hatte er das Tief aber überwunden und wir liefen wieder gemeinsam (natürlich nur, weil ich mich zurück hielt).

Meile um Meile schlängelte sich die Küstenstraße dahin. Hin und wieder öffnete sich der Blick über den See und weit entfernt am Horizont erkannte man die Hafenbrücke – das Ziel. Es schien jedoch nicht näher zu rücken.

Ca. 6 Meilen vor dem Ziel trifft die Küstenstraße auf den Highway. Als wir auf den Highway einbiegen, schon wieder eine lange Steigung.

In den Randgebieten von Duluth wurde die Zuschauermenge schon dichter und ich genoss die Anfeuerungsrufe. Die letzten Meilen durch die Stadt hinunter zum Hafen. Ich sehnte das Ende herbei. Von einer Brücke herunter sahen wir schon das Messegelände. Dahinter sollte sich die Ziellinie befinden. So glaubten wir jedenfalls. Hinter den Hallen jedoch kein Ziel, sondern das Hafenbecken. Thomas tröstet mich, hinter dem großen Schiff ist das Ziel. Sein GPS zeigte, dass wir noch wenige 100m vor uns hätten. Denkste, nichts zu sehen. Auf Thomas Uhr waren die 42 km schon vorbei. Mir fiel der Spruch ein, den ich bei einem Läufer im Startbereich gesehen hatte. „It sucks!“ (frei übersetzt: „es ist scheisse was wir hier machen“) So dachte ich nun auch. Ok, hinter der nächsten Kreuzung. Wieder nichts… aber jetzt: Ballongirlanden, den Sprecher hört man und die Menschen stehen jetzt dicht an dicht. Ich fühle mich gut und locker, alle Strapazen fallen von mir ab als wir die Ziellinie überqueren und endlich reißen wir auch die Arme hoch und freuen uns beim Zieleinlauf, so wie die vielen von null auf 42er in Mainz. Die Uhr sagt 04:23:44 und obwohl die Zeit gar keine Rolle gespielt hat, freue ich mich wie wahnsinnig.

 

Hier ist die Versorgung noch besser, sofort wird der Chip abgeschnitten, Bananen, Apfelsinen, Erdbeeren, Rosinen, Joghurt, Wasser, Riegel, Bagels, Eiscreme, Kuchen alles was das Herz und der ausgehungerte Läufer begehrt ist da. Wir werden in Alufolien gehüllt und auch Duschzelte sind reichlich vorhanden. Die Sweatbags sind schnell abgeholt, alles ist hervorragend organisiert.

Wir treffen die Familie wieder, unsere Kinder bewundern die Medaillen und dann gehen wir zu Old Chicago, wo wir uns eine riesengroße Pizza rein ziehen. Die Schulbusse bringen uns zurück ins Startgebiet und unser Urlaub in Minnesota kann beginnen.

 

Iris